5.8.2021 Reise nach Herrmannstadt
Gestern Abend gab es Gulasch. Ganz einfach und sehr lecker.
Hier leben ja viele Ungarn und natürlich haben die die Küche beeinflusst. Gestern bei der Tour mit Daniel haben wir ja das Thema Essen gehabt. Er hatte mir unter anderem dieses Gulasch empfohlen. Und es war wirklich lecker. Unnötige Zutaten wie Gemüse oder Kartoffeln hat man weggelassen. Das war ordentlich viel Fleisch und Sauce! Lecker. Daniel hatte auch über seine Vorlieben gesprochen. Klöße in jeder Form, Zwiebelmett, unseren Löwensenf, Leberkäse….so sah seine deutsche Wunschliste aus. Und er liebte auch die deutschen Supermärkte. Hier gab es Nutella und andere Spezialitäten, die bei ihm hoch im Kurs standen. Na ja, das Gras auf der anderen Seite des Zauns ist immer etwas grüner…
Heute früh um 20 nach 5 schellte der Wecker. Waschen, Kaffee, ein paar Kekse, Rucksack auf.
Draußen war es köstlich frisch, vielleicht 19 Grad, und so war der Marsch zum Bahnhof ganz angenehm. Überraschenderweise ist der Zug modern. So ein stromlinienförmiges Teil wie bei uns der ICE. Hell, viel Platz, klimatisiert. Da hätte ich die 1. Klasse nicht gebraucht. Aber egal.
Dafür hält der Zug an jeder Milchkanne. Aber irgendwas ist ja immer.
Die Bahnhöfe hier sind sehr einfach. Es gibt keine richtigen Bahnsteige sondern nur schmale Betonstreifen zwischen den Gleisen. Und wenn man zu Gleis 3 will, steigt man einfach über die Gleise.
Später wird der Zug ziemlich voll. Ich habe einen Einzelsitz, und neben mir ist ein kleines Brett. Zum Schluss kommen Leute aus der 2. Klasse und setzen sich darauf. Wahrscheinlich besser, hier hart zu sitzen, als in der 2. Klasse zu stehen.
Die Fahrt ist sehr entspannt und bequem. Und pünktlich (sag mal einer was gegen die rumänische Eisenbahn!) kommen wir an. In Sibiu / Herrmannstadt.
Sibiu trägt den deutschen Namen Hermannstadt. Hier leben ca. 150.000 Menschen und arbeiten bei Siemens, Thyssenkrupp oder der Metro. Darüber hinaus gibt es Betriebe für Dachsteine und Ziegel und vieles mehr. Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert gegründet und 1438 von den Türken überfallen. Daher rühren auch die teilweise heute noch vorhandenen Befestigungsanlagen.
Heute leben in Sibiu ca. 1500 deutsche evangelische Christen und neben deutschen Kindergärten und Schulen gibt es auch eine deutsche Zeitung. Otto Schily ist Ehrenbürger der Stadt.
Der Weg zu meiner Unterkunft ist ca. 1/4 Stunde und es ist angenehm kühl und windig. Leider kann ich nicht auf das Zimmer, aber das Gepäck kann ich schon mal abstellen. Ok, also los, Herrmannstadt erobern!
Hermannstadt teilt sich auf in die Ober – und die Unterstadt. Die Oberstadt ist die Hauptattraktion. Die beiden Teile liegen auch auf unterschiedlichen Ebenen. Von der Unterstadt geht man über 63 Stufen zur Lügenbrücke in die Oberstadt. Die Lügenbrücke ist auch eine der Attraktionen. Wer auf der Brücke die Unwahrheit sagt, der stürzt zusammen mit ihr in die Tiefe. Das wäre doch mal was Tolles für Herrn Laschet!
Und so betrete ich die Oberstadt von Sibiu.
Aber ich bin enttäuscht! Es ist eine durch und durch kommerzialisierte Stadt, die voll auf den Tourismus ausgerichtet ist. Unmengen von Gastronomie und von Einkaufsläden wechseln sich ab. Es gibt sehr schöne Gebäude in der Oberstadt, die von alten Zeiten zeugen.
Aber die Touristenattraktionen, also die Geschäfte und die Bars, lenken das Augenmerk von diesen Schönheiten ab. Es kommt soweit, dass ich mich in kurzer Hose und T-Shirt hier falsch angezogen fühle. Sehr sehr schade!
Das vermag die Unterstadt aber ein wenig auszugleichen. Sie ist sehr ursprünglich und besteht aus vielen kleinen Häusern mit diesen lustigen Dächern mit den Augen. Das sind natürlich keine Augen sondern für dieses Land sehr typische Lüftung in der Häuser. Man kann sehr schön durch die kleinen Straßen spazieren und man trifft hier auch ganz normale Leute. Meine Unterkunft ist auch in der Unterstadt und ich denke ich werde mein Augenmerk darauf konzentrieren.
Die Kölner Innenstadt ist schön, die Düsseldorfer Innenstadt ist schön, die Hamburger Innenstadt schön und Sibiu auch schön. Ungefähr auf diesem Niveau bewegt sich das.
Das ist natürlich meine persönliche Einschätzung, aber nach dem wunderbaren Sighisoara ist das hier nicht so toll.
Ich wende mich also ab und versuche, ein Mietwagenunternehmen zu finden. Google gibt mir 2 Adressen, aber beide sind nicht mehr existent. Pech.
Dabei komme ich an einem großen Markt vorbei, der mich natürlich magisch anzieht. Es ist ein Gemüse- und Obstmarkt. Ziemlich groß, und viele Menschen aus der Umgebung bieten hier Kartoffeln, Tomaten, Paprika, Chillies, Auberginen und verschiedenes Obst an. Alles ist ordentlich drapiert und zusammen mit den Farben eine Augenweide. Außen herum sind kleine Läden mit Gegenständen des täglichen Bedarfs und mehrere Metzger. Hier bekommt man alles, was man braucht. Es sind auch einige Roma da, die als fliegende Händler Textilien und andere Gegenstände verkaufen. Ein wunderbares, buntes Treiben.
In der Ecke ist ein kleiner Imbiss mit ganz vernünftigen Preisen und leckeren Sachen. Also gehe ich dahin und wähle etwas aus was auf dem Foto irgendwie nach einem kleinen Stück Fleisch und Pommes aussieht. Als es dann kommt ist es ein Riesenstück Fleisch mit Pommes und Mayo. Ich habe dazu noch Salat und Brot bekommen und insgesamt 3,20 bezahlt.
Leider war kein Tisch mehr frei und ich wollte mich schon an den Tresen stellen der aber sehr ungemütlich war. Da winkte mich ein Typ zu sich an den Tisch; er saß da offensichtlich mit seiner Frau.
Nach kurzem stellte sich heraus dass er auch Deutscher war und seit 15 Jahren hier im Land lebt. Er war früher mal bei Mannesmann / D2.
Wir haben uns sehr nett und sehr lange über Deutschland und über Rumänien unterhalten. Er hat hier mit seiner ungarischen Freundin ein neues Leben aufgebaut und ist damit auch sehr glücklich. Er räumte ein, dass es natürlich auch viele Probleme im Land gäbe, dass aber vieles auch einfacher und ehrlicher sei.
Er hat auf jeden Fall seinen Platz gefunden.
Offensichtlich hat er sich auch gefreut, mal wieder Deutsch zu sprechen und ich finde das natürlich auch ganz schön. Und noch was: ich gehe eigentlich ungern in Restaurants, wenn ich reise. Deshalb kommt mir Streetfood in Asien immer sehr entgegen. Wenn man alleine ist, ist das generell ungezwungener. Und das hier ist ja quasi Streetfood! Treffer!
Wir haben noch zusammen ein Bier getrunken und sind dann auseinandergegangen.
Ich bin dann erst mal wieder in meine Herberge gegangen und habe den Rest der Reise festgelegt. Auf einen Leihwagen verzichte ich. Das, was ich da lese, ist einerseits zu teuer und andererseits von den Kommentaren in den Bewertungen her einfach zu gruselig. Und die negativen Bewertung sind alle aus August 2021.
Also werde ich meinen Besuch auf der Transfagarasan-Straße per Bus absolvieren. Wird bestimmt auch schön. Morgen werde ich mehr wissen.
Ich bin dann noch kreuz und quer durch die Unterstadt gelaufen. Und die hat wirklich einen ganz einfachen, simplen Charme. Kleine, windschiefe Häuser, abenteuerliche Passagen und Hinterhöfe, kleine Tante-Emma-Läden: herrlich!
So sind halt die Geschmäcker verschieden….
und die Augen schauen zu......
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