4. August 2021 Schäßburg Viscri, Deutschkreuz und Keisd


Jetzt habe ich gestern ganz vergessen, grundsätzlich etwas über Sighisoara zu schreiben. Dann also heute: 


Sighisoara oder Schäßburg hat ca. 30.000 Einwohner und wurde in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts von Sachsen gegründet. Sie ist (wahrscheinlich) die Geburtsstadt von Vlad Tepes (Vlad III. Draculea, der Pfähler, Sohn des Vlad II. Dracul (der Drache)). Er soll hier zwischen 1431 und 1436 gelebt haben. 

In Sighisoara hat ein kleines Stück der deutschen Kultur überlebt. Die Stadt ist 3-sprachig(Rumänisch, Ungarisch und Deutsch) Es gibt Kindergärten, in denen Deutsch gesprochen wird sowie eine Grundschule und ein Gymnasium. Das hier gemachte Abitur wird von deutschen Hochschulen anerkannt. 


So far….


Abends war ich dann noch im Concordia essen, eine Kneipe, die mir mein Vermieter empfohlen hatte. Spontan habe ich mich für 

Pomana Porcului Cu Mamalicuta entschieden, das sind in Knoblauch Öl gebraten nicht Fleisch-Stückchen mit Polenta. Keine schlechte Wahl.




Auf meinem Plan für heute stand natürlich auch derUhrenturm. Der Uhrenturm ist quasi das Aushängeschild oder das Wahrzeichen der Altstadt. Und natürlich liegt er auf dem Berg und man muss relativ viele Stufen steigen bis man da ist. Aber dann fängt die Plackerei erst an: im Turm sind natürlich auch noch unzählige Stufen. Und so begann ein leidvoll Aufstieg durch viele Treppen, Leitern Wendeltreppen und was da nicht alles verbaut war. Aber die Atmosphäre war einfach einmalig! 




Ich habe die  Strategie gewählt erst mal ganz hoch zu steigen und die Aussicht zu genießen. Das war auch absolut toll weil der Blick von da aus über die Altstadt oder auch über die neue Stadt von Schäßburg war einfach genial. Ich bin langsam über alle vier Seiten des Turms gegangen und habe die Aussicht genossen. Zu viele Touristen waren auch noch nicht da, so konnte ich es wirklich genießen und dann bin ich die vielen Stockwerke wieder herunter gestiegen. Der Turm innen drin ist ein Museum und es waren viele Gegenstände aus der damaligen Zeit zu sehen haben. Highlight aber war sicher einmal das riesige Uhrwerk, dann die Wetteranzeige (das sind diese beiden Figuren die entweder bei Regen oder bei Sonne herauskommen) und die Spielfiguren die sich zur vollen Stunde draußen bewegen. Wenn man die einmal von hinten sehen kann ist es sehr interessant. 








Gestern musste ich dann noch meine Tour für heute organisieren. Ich wollte zu den Kirchburgen / Wehrhöfen fahren und hatte dafür eine Organisation entdeckt mit dem Namen Wanderlust. Ich habe den Besitzer angerufen und ihn gefragt ob ich in einer Tour mitfahren kann. Er hat sich dann aber beklagt dass zu wenig Touristen in der Stadt sein und dass er deshalb keine Tour machen würde es sei denn eine Exklusiv - Tour für mich. 

Klar war das für mein Budget nicht die richtige Lösung. Aber er sagte er hätte vielleicht eine Alternative: ein Freund von ihm würde mich anrufen sein Name sei Daniel. Und so war es auch wenig später rief Daniel an, sprach fantastisch deutsch und bot mir eine Tour zu drei nahe gelegenen Dörfern an zu einem Komplettpreis von 50 €. 


Die Tour würde schon um 9:00 Uhr starten und würde bis 1:00  oder 2:00 Uhr dauern. Okay, für diesen Preis einen Fahrer und einen Guide und ein Auto zu bekommen: nicht schlecht! 


Und so verabreden wir uns.


Um Punkt 9:00 Uhr steht Daniel vor der Tür. Daniel ist Taxifahrer und gleichzeitig wie sich später herausstellt, ein begnadeter Reiseführer. Wir wollen uns heute die Kirchendörfer ansehen die es hier in der Gegend gibt. Das sind Anlagen die eine große Mauer haben, meistens auch mehrere Wehrtürme und deren Schwerpunkt eine Kirche ist. 

Um diese Wehrkirchen herum sind halt die Dörfer gebaut. In unserem Fall sind das alte sächsische Dörfer die hier zwischen 1200 n. Chr. und später gebaut worden sind. Wenn dann die feindlichen Truppen aus der Türkei kamen, sind die Bewohner des Dorfes hinter die Kirchenmauern geflüchtet und haben von da aus das Dorf verteidigt. 

Viele dieser alten Dörfer sind noch perfekt erhalten und werden auch genauso gepflegt. Aber da sind wir noch nicht. 

Erst mal sitzen wir gemeinsam im Auto und quatschen. Daniel ist dreisprachig aufgewachsen. Von klein an hat er in der Schule Rumänisch, Deutsch und Englisch gelernt. In seinem Fall war das so, dass er zum Beispiel englische Texte nicht auf Rumänisch, sondern auf Deutsch übersetzen musste. Das merkt man ihm heute auch noch an. Er spricht nahezu akzentfrei sehr gutes Deutsch. 


Und so fangen wir an zu reden und das erste Thema dreht sich ums Essen. Ich bekomme eine Einführung in die rumänische Küche. Daniel verrät mir, wie die leckersten Gerichte heißen und was an Ihnen so besonders ist. Es macht Spaß sich mit ihm zu unterhalten. Und so nähern wir uns langsam unserem ersten Ziel: Viscri oder Weißkirch.








Aber vorher kommen wir noch durch ein Zigeunerdorf. Ich benutze das Wort, weil Daniel es auch völlig unberührt benutzt. Später kommen wir auch auf Zigeunersoße zu sprechen. Ich frage ihn nach dem Verhältnis der Rumänen und der Roma, und bekomme eine relativ klare Antwort. Die Roma halten sich nicht an Regeln und stehen damit weit außerhalb der Gesellschaft. Es gibt nur wenigen die sich tatsächlich integrieren und kleine Geschäfte betreiben. Vom Auto aus kann man die Häuser der Roma gut erkennen. Es sind primitiv gebaute windschiefe Hütten, in denen man nicht wirklich wohnen will. 






Wenn sich wie hier mehrere Roma zusammenschließen und so ein Dorf bilden gibt es so gut wie keine Infrastruktur. Es gibt keine Feuerwehr, keinen Arzt, keine Schulen. So wie er es darstellt, stellen sich die Roma wirklich weit außerhalb der Gesellschaft auf.


Angekommen in dem Ort lerne ich erst mal etwas über den Aufbau des Dorfes. Die einzelnen Familien wohnen dicht nebeneinander und haben jeweils zwei Häuser und eine Scheune. Das eine Haus ist das Winterhaus, das andere, etwas luftiger, das Sommerhaus. 


Wenn dann Kinder kommen und die Eltern älter werden kommt es dazu dass ein Teil in das Winterhaus zieht, der andere Teil in das Sommerhaus. Nach vorne schließt die vordere Front das Grundstück ab, mit dem Tor in der Mitte, nach hinten die Scheune. So kann man auch jedes einzelne Grundstück mithilfe seiner Nachbarn ganz gut verteidigen. 

Aber im Ernstfall zieht man halt mit seinen ganzen Tieren zusammen in die Kirche und verteidigt die Burg von da aus. Innerhalb der Verteidigungsmauer gehen wir erst mal in die Kirche. 






Es ist eine uralte, schmucklose Kirche, die eine interessante Sitzordnung hat. 

An den Rändern sitzen die Männer, rechts vorne die Mädchen im Konfirmandenalter. Vorne links sitzen, direkt vor der Kanzel, die alten Damen (Von da aus können sie besser hören). Hinter den alten Damen sitzen dann auf den Ehrenplätzen die Frauen des Pfarrers und des Dorfältesten. 

Dahinter sitzen dann auf beiden Seiten die Frauen der Gemeinde, und die jungen Männer müssen alle hoch auf die Empore. Von da aus konnten Sie dann sehr gut schon mal eine Frau für später aussuchen. 

Eine interessante Sitzordnung! 

Es gibt auch viele Wandmalereien, und da, wo die alten Mütterchen sitzen, hat man einen Todesengel hingemalt. Cool!


Wir sind dann in die Wehrtürme gegangen, auch uralte Bauten aus Holz und Stein von denen man immer eine guten Aussicht hatte auf die heran nahenden Feinde. 

Generell ist der Blick von hier aus wunderbar! Es ist aber auch absolutes Kaiserwetter und so schaut man über die sanften Hügeln mit Wiesen und Wäldern. Dabei kommt das Gespräch natürlich auch auf Wölfe und Bären. 


Daniel meint das Wölfe sich nicht so gerne sehen lassen wohl aber in den Wäldern überall herumstreifen. Bären hingegen sein ein Riesenproblem..

Er berichtet dass speziell in den Orten, wo es schon zu Übergriffen gekommen ist, Warnsignale gibt! 

Das sind die Direktnachrichten, die ich auf mein Handy bekomme und von denen ich bisher immer gedacht habe, es handelt sich um stark Regen. Ich kann ja kein Rumänisch! Keine Ahnung wogegen ich da gewarnt worden bin aber wenn ein Bär in der Nähe von menschlichen Behausungen gesehen wird, gibt es solche Nachrichten!


Gut zu wissen!


Wir streifen durch das Gemäuer und gehen durch eine Ausstellung von Werkzeugen Kleidung und Gegenständen des täglichen Bedarfs. Eine Besonderheit sind Nachbarschaftsplaketten. 


In den Dörfern gab es immer eine oder mehrere Nachbarschaften. Die hatten einen Vorsteher, der alle zwei Jahre gewechselt wurde. Wenn jetzt etwas besonderes stattfand, zum Beispiel eine Geburt, ein Todesfall, eine Hochzeit oder auch nur eine größere Reparatur an einem Gebäude, so schrieb man auf diese Platte Datum und Uhrzeit des Ereignisses. Der Vorsteher ging nun zum ersten Haus und überreichte die Platte. Der Empfänger war nun verpflichtet an diesem Ereignis teilzunehmen und die Platte auch weiter zu reichen. Das ging dann so lange, bis sie wieder beim Vorsteher ankam. Ging man nichts zu einem solchen Event, wurde man bestraft. Einmal im Jahr gab es einen Gerichtstag, an dem solche Vergehen bestraft wurden.


Nachdem wir die wirkliche ausgiebig besichtigt haben und Daniel mir noch viel mehr Details verraten hatte, gingen wir noch durch das Dorf. 

Dabei kamen wir an dem Haus von Peter Maffay vorbei und auch an dem Haus von Prinz Charles. Einmal im Jahr kommt Prinz Charles (meist im Mai) mit seiner Entourage hier vorbei und geht durch das Dorf.Viscri ist wohl die schönste Kirchenburg, aber danach fahren wir noch weiter. 







Zweites  Ziel ist dann Deutschkreutz wo es auch eine alte Kirchenburg gibt, nur das Dorf herum ist schon wesentlich moderner. Trotzdem ist es immer noch eine alte schöne Dorfgemeinschaft und die Kirchenburg selber ist auch noch gut erhalten. 

Hier kann man auch herrlich in den Kirchturm hinein klettern. Ich kann nicht sagen ob das überhaupt erlaubt oder vorgesehen war, weil unsere Sicherheit war in keinem Moment gewährleistet. Aber so konnten wir über abenteuerliche Treppen und Leitern bis hoch oben in den Turm rein klettern wo dann auch das Leutwerk war. Ich hab sowas auch noch nie gesehen war aber völlig begeistert! Auch ein schöner Ort. 








Letzter Stop war dann in Keisd. Die Anlage hier ist leider sehr verfallen, nur die Kirche ist noch da und ein mittlerweile restaurierte Turm. Der ist auch sehr hoch und sieht von außen toll aus, hat aber so gut wie keine Fenster, so dass man einfach nur treppensteigen muss und sonst nicht viel sieht. 






Dafür gehen wir dann in die Kirche, in der gerade ein Orgelkonzert stattfindet. Der Pfarrer spricht akzentfrei deutsch und fühlt sich verpflichtet, uns für die zehn Lei Eintritt besonders viel zu erzählen. Das war zwar nicht so interessant, aber irgendwie ist es total fremd, hier Leute deutsch reden zu hören. Damit war die Tour zu Ende und es hat mit Daniel einen unglaublichen Spaß gemacht…


Ich bin dann noch durch Schäßburg gelaufen, war im Blacksmith-Tower und noch in vielen kleinen Gassen. Dann bin ich zum Bahnhof gelaufen, um ein Ticket für morgen zu kaufen. Komischerweise bekommt man das nicht online.


Ich also zum Schalter und eine Karte 1. Klasse für den 12 Uhr-Zug geordert. Ein rumänischer Wortschwall war die Antwort. 

Eine hübsche junge Frau neben mir half: ich solle den Zug nicht nehmen, da müsse man umsteigen, und das würde oft schiefgehen, wenn da weniger als 10 Minuten Zeit wären. Na gut. Dann nehme ich den 15:30. 1. Klasse bitte. Nein, der hat keine 1. Klasse. Laut Internet doch! war meine Antwort. Nein, sagt die Ticketverkäuferin energisch. Die junge Frau neben mir nickt. 

Mittlerweile blockiere ich für fast 5 Minuten den Schalter. Keiner meckert.Ich sage: ok, den 7 Uhr Zug. 1. Klasse. Die Verkäuferin strahlt! Ja, das geht! 

Eisenbahngesellschaften auf der ganzen Welt haben ihre Probleme, aber wenn man auf freundlich und hilfsbereite Menschen wie hier in Rumänien trifft, ist alles halb so schlimm!















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