27.7.2021 Bukarest
Rumänen. Jetzt ist es also Rumänien. Lange her, dass ich in Europa gereist bin, aber jetzt versuche ich es mal. Warum Rumänien? Ganz einfach: Ich habe eine Website gefunden, auf der war eine Europakarte, in der die Inzidenzwerte der Corona-Pandemie verzeichnet waren. Und die „guten“ Länder waren zu dem Zeitpunkt Portugal und Rumänien. Und da kam die Idee auf, in eines der Länder zu reisen. Portugal hatte den Vorteil, dass ich da 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Eine Reise im Land und der Jakobsweg. Ich könnte den 2. Versuch starten, den Jakobsweg zu laufen laufen. Als wir in Griechenland waren, habe ich lange überlegt: Rumänien mit den Karpaten oder der Jakobsweg? Was sollte ich tun? Ich beschloss dann ganz diplomatisch, beides zu machen. Erst nach Portugal und dann später nach Rumänien.
Also begann ich, mich auf Portugal vorzubereiten. Die Ausrüstung hatte ich ja noch von meinem Versuch in 2020, wo ich den Camino Frances laufen wollte. Also brauchte ich noch Karten, eine Wasserblase (es würde sehr warm werden) und ich musste mich mit der Strecke vertraut machen. Ich war viel in Foren unterwegs und habe Berichte gelesen. Dann habe ich angefangen, zu wiegen und zu packen. Der geplante Reisetag (2 Wochen nach der 2. Impfung) kam näher und näher und langsam wurden auch die Flugtickets wieder teurer. Aber mit den Flugpreisen stieg auch die Inzidenzzahl. Lissabon explodierte förmlich, aber auch in der Provinz Norte, wo ich hinwollte, stiegen die Zahlen schnell an. Und dann habe ich den Rucksack wieder ausgepackt und (zum 2. Mal) alles verstaut.
Plan B: Rumänien. Auch hier war ich in Foren unterwegs und habe Reiseführer und Reiseberichte gelesen. Und ich habe einen Ex-Kollegen angeschrieben. George wohnt in Bukarest und hat sich gefreut, dass ich ihn besuchen wollte. Und hat mir seine Hilfe angeboten.
Wie sonst auch, habe ich eine Route ausgearbeitet inclusive der ‚wie-komme-ich-da-hin‘ – Fragen. Die Packliste war auch schnell gemacht und am 10. Juli habe ich dann den Flug nach Bukarest gebucht.
In Rumänien leben ca. 20 Millionen Menschen, davon ca. 2 Millionen in Bukarest. Das Land liegt quasi im Zentrum von den 3 Gebieten Süd- Mittel- und Osteuropa. Bekannteste Gegend sind sicher die Karpaten in Transsylvanien und deren berühmtester Bewohner ist Graf Dracula. Die Karpaten gehen bis auf 2500m und der berühmteste Fluss ist die Donau, die sich hier in das Schwarze Meer ergießt. Ca. 30% des Landes sind bewaldet und geben Heimstatt für Bären, Wölfe, Geier, Luchse und viele andere Tiere. Die Bergwelt lädt im Winter zum Skifahren ein und im Sommer zum Wandern. Es kann aber sein, dass man dann einen der 3000 Wölfe trifft oder einen der 6000 Braunbären.
Im Land leben sehr viele Ungarn und auch viele Roma. Transsylvanien ist sehr deutsch. Grund dafür sind die vielen Siebenbürgener Sachsen, die hier gelebt haben und die hier auch heute noch sind. Viele Orte haben auch deutsche Namen wie Kronstadt, Herrmannstadt oder Konstanz.
Bodenschätze wie Kohle, Erdöl und Gold sorgen für bescheidenen Wohlstand, ca. 40% des Landes dienen aber der Landwirtschaft. Es gibt eine Elektroindustrie, der Dacia wird hier gebaut und es gibt eine große Textilproduktion.
Rumänien ist ein armes Land, das könnte aber auch mit der Korruption im Land zusammenhängen. In der rumänischen Sprache gibt es 30 Redewendungen für ‚Schmiergeld‘.
Bukarest: Die Stadt wurde 1459 das erste Mal urkundlich erwähnt. Das Dokument wurde von Vlad Tepes ausgestellt, der den Beinamen ‚Draculea‘ trug. Heute ist es eine moderne Stadt und der Regierungspalast des Autokraten Ceausescu ist eines der berühmtesten Bauwerke.
Es ist keine ‚schöne‘ Stadt, da Ceausescu die Altstadt abreißen ließ und da im Zuckerbäckerstil neue Gebäude schaffte. Bukarest ist das wirtschaftliche Zentrum des Landes und mit dem Nordbahnhof und dem Flughafen Otopeni auch das Verkehrszentrum. Berühmte Kinder der Stadt sind unter anderem der Tennisspieler Ilja Nastase oder der Musiker Peter Herbolzheimer .
So weit so gut!
Nach dem anstrengenden Reisetag von gestern habe ich supergut geschlafen. Das Hotel ist wirklich gut. Und erst die Lage…
Das „Treibenlassen“ gestern Abend in der Bukarester Innenstadt war ein guter Start. 2 Dinge will ich noch nachtragen. Zum Einen: die Häuser sind höher. In Düsseldorf sind die Altbauten 3 1/2 - stöckig, hier sind es 5-6 Etagen. Das ergibt ein ganz anderes Bild, die Straßen wirken anders. Ich kenne das aus Paris oder aus Budapest, und dann weiß ich wieder: Düsseldorf ist eher Provinz.
Und sehr schön sind hier auch die Fontänen. Hier ist ein großer Kreisverkehr und in der Mitte ist ein mächtiger Brunnen, dessen Fontänen von bunten LEDs angestrahlt werden. Und auf den Mittelstreifen der zulaufenden Straßen sind auch lange Reihen von Fontänen, die sich rhythmisch bewegen und die ebenfalls bunt sind. Nachts sieht das toll aus.
Aber heute ist erst mal ein neuer Tag.
Ich bin früh unterwegs und laufe zum eindrucksvollen Polizeibüro und dann zu dem Holocaust-Dankmal.
Die Juden hatten es schwer in der Nazi-Zeit. Dahinter ist ein großer, schöner Park mit einem kleinen See. Auch einen Wasserfall gibt es und unzählige (wirklich) Bänke und Stühle zum Verweilen. Ein friedlicher Ort in dieser Riesenstadt und bei 35 Grad auch ganz angenehm. Von hier aus kann man auch Cheausescus Palast sehen. Ich sehe ihn mir aus der Nähe (er wird tatsächlich noch größer) an, aber auf eine Innenbesichtigung (> 1000 Zimmer) bin ich nicht scharf. In einer Seitenstraße stoße ich auf ein nettes Cafe und kehre da erst mal ein. Von jetzt an gehe ich sehr plan- und ziellos durch die Stadt.
Es ist schwer zu beschreiben, was ich hier empfinde. Da sind prächtige Bauten, riesige Bauten, verfallene Häuser, viel Schmutz, begleitet von tosendem Autoverkehr: eine verrückte Stadt. Aber es treibt mich immer weiter und ich mache viel zu viele Fotos. Ich erfahre auch, dass ein Fußgängerleben hier nicht viel zählt. Aber auch andere Menschen leben gefährlich. Ich komme an einem Mann vorbei, der ein Eisengitter schweißt. Er hat kein Schutzschild, aber er weiß sich zu helfen. Er schaut sich die Stelle, die geschweißt werden muss, genau an und hält sich dann beim Schweißen die Augen mit einer Hand zu. Auch me Möglichkeit.
Ich gehe in die Kretzulescu-Kirche, eine der ältesten Kirchen hier. Man darf hier keine Fotos machen, aber die Kirche ist sehr schön. Nicht so goldüberladen wie z.B. die Gotteshäuser in Rom, sondern eher mit vielen, aufwändigen Wandmalereien geschmückt. Und alles sehr klein und heimelig. Danach ist die Casa Filipescu Cesianu dran. Von außen ein tolles Gebäude und von innen: weiß ich nicht. Es ist geschlossen. Und das ist mein Schicksal von heute. Ich habe es bei 6 oder 6 Museen versucht und alle ware (bis auf eines) zu. Das eine, das offen hatte, war das Naturkundemuseum: mein Favorit. Aber davor warteten über 100 Leute in der prallen Sonne auf Einlass und da hatte ich keine Lust.
Beim letzten Museum war ein Wärter, der kein Englisch sprach. Aber er führte mich zur Seite und zeigte mir ein Schild, auf dem zu lesen war: geöffnet nur sm Mittwoch und am Freitag. Er muss meine Enttäuschung gesehen haben, denn er reichte mir zum Abschied seine Hand. Da war meine Laune wieder gut.
Die andere Geduldsprobe war das Geldwechseln. Eine Bank wollte nicht tauschen, weil ich da kein Konto hatte. Eine andere akzeptierte meinen Personalausweis nicht und bestand auf einen Pass. Eine Wechselstube wollte tauschen, hatte aber keine Lei! Und dann fand ich tatsächlich jemanden, der mir zu einem fairen Kurs die € abnahm.
In einer Bank hatte ich zusätzlich nach dem Weg zum Naturkundemuseum gefragt und die bildhübsche 25jährige Mitarbeiterin wäre fast mit mir da hingegangen, so wichtig war es ihr, dass ich den Weg finde.
Und ich war in einem Kaufhaus. So ein altes Kaufhaus aus der dunklen Zeit. Sehr interessant.
In einer Ecke gab es „Autofahrerhandschuhe“ und als ich mir die verwundert ansah, kam auch sofort eine Verkäuferin. Sie fragte dann, woher ich käme und als ich es ihr sagte, meinte sie: Moment! Und kam dann mit einem Trachtenjanker von Loden Frey,zurück. Stolz präsentierte sie mir das Teil und berichtete, dass die Fabrik hier ganz nah bei Bukarest sei! Rumänische Qualität zu höchsten Preisen! Aber mir wollte sie einen Sonderpreis machen.
Und dann entdeckte ich noch einen kleinen Fahrstuhl. Da stand ein Höckerchen drin und da war auch ein Hebel an der Wand für Auf- und Abwärts. Hier wurde echt noch mit einem Fahrstuhlführer gearbeitet und die diensthabende Fahrstuhlführerin (hier könnte man mal das Gendern üben), eilte herbei. Aber ich bedankte mich nur und ging wieder zu Fuß runter.
Ich war noch in mehreren Kirchen und gleich treffe ich mich mit George zu einem weiteren Spaziergang und danach zum Essen. Mein Tacho steht aber schon jetzt bei 24,4 km, eigentlich reicht mir das.
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